8. Februar 2014 Australien, Tasmanien - Durchschnittswerte

Chardonnay ist die beliebteste Rebsorte der Welt und macht in Australien 22 % der Produktion aus. Von den feinen, zurückhaltenden, mineralischen Chardonnays aus dem Süden Tasmaniens bis zu den vornehmen Melonen- und Pfirsicharomen aus den wärmeren Regionen gibt es bei diesem klassischen Weisswein kein anderes Land, das eine vergleichbare Variationsbreite regionaler Eigenarten aufweisen kann wie Australien.

„Windy Peak“ – wie hypnotisiert starre ich auf das Label der Weinflasche. Der Chardonnay aus dem Yarra Valley macht seinem Namen alle Ehre. Jedenfalls spüre ich deutlich eine kleine Brise in meinem Kopf. Ich drehe die Flasche in meinen Händen und studiere die Beschreibung des Windy Peaks – des windigen Gipfels: „…Wein mit Charakter, Fantasie und ‘with a sense of place‘ – einem gewissen Gefühl für den richtigen Standort…“.

Eine treffende Beschreibung. Doch was mich stutzig macht, ist das kleine aufgezeichnete Weinglas mit der Ziffer 7.1 – direkt in den Inhalt des Weinglases geschrieben. Daneben: „Standard Drinks“. Und daneben wiederum: „Drink wise – Trinke weise!“ Was genau mag die Ziffer zubedeuten haben? Ingo dreht seine mittlerweile fast leere Bierdose zwischen seinen Händen hin und her. Erstaunlicherweise zeigt sie einen ähnlichen Aufdruck eines Getränkeglases mit einer Ziffer – 1.4 in seinem Falle. Die nun entfachte Diskussion ist intensiv und kritisch und stellt die Frage nach den aufgedruckten Zahlen in den Mittelpunkt.

Nach ein paar Minuten kommen wir zu folgendem Ergebnis:   Der durchschnittliche Australier benötigt 1 Stunde und 24 Minuten, um 375 ml Bier so zu verstoffwechseln, dass er für den Strassenverkehr wieder fahrtauglich ist. Es sagt unserer Meinung nach auch aus, dass der Wein trinkende Australier 7 Stunden und 6 Minuten benötigt, um sich nach einer geleerten Flasche Chardonnay wieder zu regenieren. Doch würde man dem Etikett glauben, dürfte  man den Inhalt der Flasche „Windy Peak“ auf 7 Stunden und 6 Minuten verteilt trinken und wäre im Anschluss danach noch fahrtauglich.  Es ist schwer zu glauben. Und wahrscheinlich hinkt unsere Theorie der wahren Erklärung hinterher. Wir müssen wohl nochmals einen Einheimischen dazu befragen.

Doch uns beschäftigt noch eine weitere Frage. Welche Art Durchschnittsaustralier wird für eine solche Statistik zugrunde gelegt? Wie in allen internationalen Untersuchungen geht man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit von einer männlichen Person mit 75 Kilogramm Körpergewicht aus. Vom Gewicht bin ich nahezu 33 % entfernt. Von dem männlichen Geschlecht unwesentlich weiter, nämlich 100 %. Die Studie verliert somit immer mehr an Halt. Denn rein wissenschaftlich betrachtet, ohne Emotionen bedeutet dies: Männer sind anders. Frauen auch.

Ganz besonders habe ich das die vergangenen 14 Monate festgestellt. Dann, wenn wir mit den zahlreichen männlichen Begegnungen ins Gespräch kam. Die immer dort waren, wo auch unsere Motorräder standen. Sie hatten Interesse. Sie hatten Fragen. Sie hatten Ideen. Ideen, wie man mit einem Motorrad möglichst viel von dieser Welt sehen kann. Mit möglichst grossem Spassfaktor. Auf möglichst vielen Schotterpisten. In möglichst vielen Sandpassagen. Mit möglichst hoher Geschwindigkeit. Man sieht es nicht sofort, dass in den niedlichen Köpfen der Männer so viel Platz ist für hässliche Ideen ist. Fortsein. Verlorensein. Nichtwissenwo. Das alles sind Zauberworte in den Männergehirnen. All das verleiht den Männern eine Aura von unbeugsamer Autorität. Und glücklicherweise verfügt der weibliche Verstand  über einen primitiven Verteidigungsmechanismus, der uns vor Dingen abschirmt, die zu viel Stress für unser Gehirn bedeuten.

Doch es gibt tatsächlich Frauen, die selbst Motorrad fahren wie Männer. Die den Spassfaktor auf einer ähnlichen Skala einstellen wie ihre männlichen Kollegen. Ich habe von ihnen gehört. Und ich habe sie getroffen. Sie fahren mit ihrer KTM, BMW und Kawasaki von Alaska nach Ushuaia, vom Balkansee nach St. Petersburg von Kapstadt nach Nairobi. Sie zelten im Urwald Kolumbiens und in den Wüsten Namibias. Sie wechseln die Reifen als wäre es eine Babywindel und lenken ihr Motorrad über Dünen wie ein Dreirad durch den Sandkasten. Sie wissen sich selbst zu helfen, wenn die Öllampe am Motorrad aufleuchtet. Sie wollen die grosse weite Welt entdecken. Und sie können sich nichts anderes vorstellen, als dies auf ihrem Motorrad zu tun. Sie sind sympathisch. Sie sind intelligent. Sie sind weiblich. Sie sind ganz normal. Beinahe wie Du und ich. Aber eben nur beinahe.

Tasmanien wird zu einem weiteren Highlight auf unserer Reise. Wir lieben die Küsten, wo der Ozean mit Wucht auf die rotbraunen Felsen schlägt. Unser Blick schweift nach Westen, weit hinaus auf den Ozean. Die Wellen können wirklich prima Anlauf nehmen. Liegt doch das nächste Festland mehr als 15.000 Kilometer entfernt in Südamerika. Afrika reicht weit genug nach Süden, um sich ebenfalls den „Roaring Forties“ in den Weg zu stellen. Jenen heftigen Westwinden, die hier in Tasmanien nicht selten Sturmstärke erreichen. Und damit auch für jene Temperaturänderungen sorgen, für die Tasmanien so bekannt ist. Gerade gestern durften wir erleben, wie innerhalb einer Stunde die Temperaturen rasant fielen. Von nahezu unerträglichen 38 Grad hinunter auf 18 Grad. So schnell, dass wir selbst mit unserer limitierten Auswahl von drei T-Shirts im Gepäck überfordert waren, die richtige Entscheidung zu treffen.

Doch am heutigen Tag ist der Himmel gnädig. Der Sonnenschein wird von einem eher lauen Lüftchen begleitet. Und hierfür sind wir Petrus auch dankbar, denn in den frühen Abendstunden legt unsere Fähre in Devonport ab, um uns zurück aufs australische Festland zu bringen. Die „Spirit of Tasmania“ versorgt einmal täglich die 10-stündige Verbindung nach Melbourne. Und bereits um 6.30 Uhr am nächsten Morgen stehen wir am Hafen von Melbourne. Dort, wo gerade die Sonne dabei ist, sich über den Horizont zu schieben und die Stadt zu neuem Leben zu erwecken. Die ersten Jogger sind bereits unterwegs, nutzen die morgendliche Kühle für ihre Körperfitness. Zur gleichen Zeit, wie die letzten Nachtclubgäste umgeben von einer alkoholgeschwängerten Wolke der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihres Bettes folgen. In der Bay Street haben bereits die ersten Frühstückscafés geöffnet, die es mit Frühaufstehern wie uns gut meinen. Die gutgelaunt frischen Kaffee servieren. Zusammen mit frisch gebackenen Blueberry-Muffins, die dampfend und wohlriechend auf dem Ofen geholt werden. Perfekt, denn wir sind mit Mario und Maria und deren Sohn Charly zum Frühstück verabredet. Gelegentlich ertönt ein zaghaftes Zwitschern aus dem Blätterdach über uns und die aufsteigende Sonne kämpft ihren Kampf gegen die Nacht und das Gestern, das unwiederbringlich vergangen ist.

Abschiedsfoto mit Mario

Es führen viele Wege nach Tasmanien! Susanna und Peter sind via Russland,
Mongolei und China nach Australien gereist.

Low Head in Tasmanien

Pferdezucht in Tasmanien

 

Wetter:

28 Grad, Sonne

 

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