21. Juli 2013 Nicaragua, Jinotega – Jahrestag der Revolution

Jedes Jahr am 19. Juli feiert Nicaragua den Triumph der Revolution. Im Jahr 1979 hatte die Sandinistische Befreiungsfront den Diktator Somoza gestürzt und die Befreiungsarmee war unter dem Jubel der Bevölkerung in die Hauptstadt Managua einmarschiert. Vor der alten Kathedrale im Zentrum  wurden die Befreier von Hunderttausenden bejubelt.

Das Erste, was mir auf der Landstrasse direkt nach dem Grenzübergang Nicaraguas ins Auge sticht, ist ein unglaublich knochiges Hinterteil einer braunen Stute. Die Beckenknochen ragen spitz durch das glanzlose Fell. Dort, wo das Tier in gutgenährtem Zustand einen kräftigen Gesässmuskel vorzuweisen hätte, ist eine tiefe Mulde zu sehen, als Zeichen von Mangelernährung und schonungsloser Überarbeitung. Das Pferd zieht eine schwere Holzkarre durch die mit Schlaglöchern versehene Strasse. Die geladenen Melonen türmen hoch auf und die Last ist dem Tier ins Gesicht geschrieben. Leider bleibt dieser Anblick kein Einzelfall. Nicht nur Pferde sind hier wandelnde Skelette, auch Kühe und Ochsen wirken ausgemergelt und entkräftet. Es ist uns unbegreiflich, wie es in dem sattgrünen und niederschlagsreichen Nicaragua an nährendem Futter für die Tiere mangeln kann.

Ein weiterer gewöhnungsbedürftiger Anblick sind die Strassenhunde, die bei ihrer täglichen Futtersuche offensichtlich völlig auf sich allein gestellt sind. Ich habe noch nie so dünne Hundekörper gesehen! Gerade mal ein paar Finger breit misst die Taille des Streuners neben uns.  Doch wir haben damals auf unserer Tour zu den Galapagos Inseln von unserer Reiseleiterin Maja gelernt, dass ein Eingreifen des Menschen in die Natur nur eine Zerstörung des funktionierenden Kreislaufs zur Folge hätte. Damals ging es um die Landechsen, die tage- und wochenlang darauf warteten, dass eine einzelne Kaktusfrucht vom Baum fällt. Viele der Reptilien verendeten bei der Warterei und übrig blieben nur die Ausdauerndsten und Widerstandsfähigsten unter ihnen. Doch ein Eingreifen des Menschen würde den empfindlichen Kreislauf stören. Die Natur und witterungsbedingte Umstände diktieren Perspektiven und Restriktionen. So kann in einer schlechten Saison mit limitierter Anzahl an Früchten auch lediglich eine limitierte Anzahl an Tieren überleben. Auch die Anzahl der Strassenhunde reguliert sich im schicksalhaften Zyklus der Natur. Entweder sterben sie entkräftet am Strassenrand, werden überfahren oder überleben als eine der wenigen ihrer Sorte, die sich mit den minimalen Gegebenheiten Nicaraguas arrangieren können. Doch eines ist sicher: Es tut weh, der Natur die Oberhand zu überlassen!

In der Kleinstadt Masaya, die zwischen dem Lago Nicaragua und Lago Managua liegt, bekommen wir eine Zwangspause aufgebürdet. Bereits seit 2 Tagen fühle ich mich schlapp und lustlos und am dritten Tag ereilt mich Fieber, begleitet von starken Kopf- und Muskelschmerzen. Für eine Woche gebe ich mich der schweisstreibenden Achterbahnfahrt meiner virusgesteuerten Fieberkurve hin, die eigenwillig und schonungslos den letzten Schweisstropfen aus mir herauspresst.

Doch die Pause tut gut und nach einer Woche können wir genesen und gestärkt in Richtung Berge aufbrechen. Jinotega ist unser Tagesziel und die Strecke durch die landschaftlich attraktive Höhenlage soll sich als ausgesprochen unterhaltsam darstellen. Heute ist Nationalfeiertag in Nicaragua, genauer gesagt der Jahrestag der Revolution. Wie damals vor 34 Jahren strömen auch heute Menschenmassen in die Hauptstadt Managua, um am Plaza de la Fé den Tag gemeinsam zu feiern. Unter dem Titel „sozialistisch, christlich und solidarisch“  feiert die FSLN ihren 34. Jahrestag des Befreiungssieges. Uns kommen nicht endend wollende Kolonnen an Bussen und Lkws entgegen, vollgestopft mit jubelnden und winkenden Menschen. Die blau-weisse Landesfahne dominiert neben der rot-schwarzen Parteifahne der FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacionál). Die FSLN ist eine politisch links orientierte Partei, hervorgegangen aus der gleichnamigen Guerillaorganisation, die am 19. Juli 1979 an der Spitze einer breiten Widerstandsbewegung die seit 43 Jahren bestehende Diktatur der Somoza-Dynastie unter Präsident Anastasio Somoza Debayle stürzte und daraufhin Nicaragua bis 1990 regierte. Mit Daniel Ortega stellt sie seit Januar 2007 wieder den Staatspräsidenten Nicaraguas.

Wir haben stellenweise grosse Schwierigkeiten, unseren Fahrstreifen für uns zu beanspruchen. Die riesigen, vollbesetzten Busse fahren mehrspurig an uns vorbei und drängen uns auf den grasbewachsenen Seitenstreifen. Nicaragua befindet sich für den heutigen Tag auf Überholspur und wir haben Glück, dass wir in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind!

Schwätzchen am Strassenrand

Aktiver Vulkan Concepcion

 

Wetter:

29 Grad, Sonne und Regen

 

 

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