4. April 2013 Argentinien, Cachi – Die F800 hat Schnupfen

Eine Benzinpumpe dient dazu, das Benzin in der erforderlichen Menge sowie mit dem erforderlichen Druck aus dem Kraftstofftank zur Einspritzpumpe zu befördern. Da ein Ausfall der Benzinpumpe unweigerlich zum Stillstand des Fahrzeugs führt, wird eine extrem hohe Zuverlässigkeit gefordert. Sollte jedoch der Benzinfilter verdreckt sein, so kann die Pumpe ihre Aufgabe unmöglich wahrnehmen.

Die Fahrt von Cafayate nach Cachi und weiter nach Salta bietet uns unvergessliche Erlebnisse durch eine wunderschöne Berglandschaft. Wir durchqueren farbenprächtige Felsformationen, die in allen Regenbogenfarben leuchten. Eine gute Piste aus Sand und Schotter schlängelt sich durch die Landschaft und wir kommen zügig voran. Nur in einigen wenigen Kurven finden wir aufgehäuften Sand, der mein Hinterrad zur Seite „driften“ lässt. Ingo fährt hinter mir und meint, es sähe richtig cool aus, als ob ich mit dem Sand spielen würde. Es ist zwar so, dass eher der Sand mit mir spielt, aber das braucht ja keiner zu wissen! Wir sind schon fast zwei Stunden unterwegs, als wir auf eine organisierte Motorradreisegruppe treffen. „Horizonte“ hat ihren Sitz in Salta und begleitet fünf Motorradfahrer aus Buenos Aires für ein paar Tage durch die Berge. Sie haben das gleiche Ziel wie wir und somit treffen wir immer wieder an den verschiedenen Aussichtspunkten aufeinander. Bei einer der Pausen drückt uns Matias, der Tourenguide, seine Visitenkarte in die Hand. „Für den Fall, dass Ihr Hilfe benötigt.“

Irgendwann, etwa 100 Kilometer vor Cachi, unserem heutigen Etappenziel, stoppt Ingos Motorrad plötzlich ohne Vorwarnung. Meinen fragenden Blick beantwortet er mit Kopfschütteln und Schulterzucken. Glücklicherweise lässt sich die F800 problemlos wieder starten und schon geht die Fahrt weiter. Doch zwei Minuten später das gleiche Spiel. Die Maschine stoppt, Ingo startet erneut. Nach 1000 Meter wiederholt sich der Vorgang. Stopp – Neustart – Stopp – Neustart –  Stopp – Neustart. Ingo schaut mich an wie eine Eule, ratlos und ungläubig. Wir finden heraus, dass diese Unterbrechungen sich häufen, je langsamer er fährt. Also nimmt er für den Rest des Tages die Führungsposition ein und spurtet davon, um die Maschine mit höherer Geschwindigkeit voranzutreiben und bei Laune zu halten. Der feine Sand prasselt in mein Gesicht und ich lasse grossen Abstand bevor ich mich seiner Richtung anschliesse.

Mit der beschriebenen Taktik schaffen wir es bis nach Cachi. Der kleine Ort hat viel koloniale Atmosphäre bewahrt. Cachi – der Name der Ortschaft bedeutet auf Quetschua „Salz“ – liegt auf 2.280 Metern Höhe und wird vom schneebedeckten über 6.000 Meter hohen „Nevado de Cachi“ überragt.

Sobald wir unser Gepäck in der Unterkunft verstaut haben, beginnt Ingo, das Motorrad zu zerlegen. Er schliesst den Computer an und überprüft die Fehlermeldung anhand der Diagnosesoftware, aber leider ohne Ergebnis. Aufgrund der glücklichen Fügung, heute Mittag die Leute von „Horizonte“ getroffen zu haben, ziehen wir die Visitenkarte von Matias hervor und holen uns fachmännischen Rat. Da die Gruppe im gleichen Ort wie wir ihr Lager für die heutige Nacht aufschlägt, erklärt sich Matias auch sogleich bereit, Ingo zu unterstützen. Zwei Stunden wird geschraubt, beratschlagt und gefachsimpelt, doch am Ende sind sich die Männer einig. Der Bösewicht ist weiblich. „La Bomba de Nafta“-Die Benzinpumpe! Horizonte besitzt gute Kontakte in der Motorradszene und dank Matias können wir für den nächsten Tag einen Termin in einer Werkstatt in Salta arrangieren.

Am nächsten Morgen schliessen wir uns spontan mit Martin, dem Barbesitzer von nebenan und seiner Bekannten Andrea aus Kolumbien zusammen, um mit ihnen und deren Yamaha 660 gemeinsam nach Salta zu fahren. Nach einem gemütlichen gemeinsamen Kaffee geht es los. Genau wie gestern auch sind die ersten 120 Kilometer kein Problem und Ingos F800 läuft wie am Schnürchen.

Wir überqueren Berge und durchqueren Täler, bunt und fruchtbar. Die Felsformationen zeigen bizarre Bilder und am Strassenrand stehen die ersten grossen Kanderlaberkakteen, die „Cardones“. Zu Abertausenden wachsen sie auf der Hochebene, teilweise ragen sie bis zu 10 Meter hoch in die Landschaft. Die Pflanzen, die ihre Äste wie Arme in die Lüfte strecken, sind teilweise 1000 Jahre alt. Pro Jahr wachsen sie gerade mal einen Zentimeter!

Der Weg führt quer durch den Nationalpark Los Cardones, einem knapp 65.000 Hektar grossen Park. Wir erreichen die Passhöhe, die Piedra de Molino. Ihren Namen hat sie von dem Mühlstein, den dort auf 3.348 Meter über dem Meeresspiegel irgendjemand hat liegen gelassen. Hier oben steht eine kleine Kapelle. Neben dem Altar liegen neben einigen Kerzen ein paar Zigaretten und Coca-Blätter, Opfer der Indios. Auf der Höhe bietet sich uns eine wunderbare Aussicht ins Tal und auf die umliegenden Gipfel.

Wir durchqueren das Valle Encantado , ein fruchtbares Hochtal zwischen roten Felsen, auf denen Falken und Kondore leben. Die Strasse führt steil durch die Cuesta del Obispo, ein eng geschlängeltes Gelände mit ein paar harmlosen Wasserdurchfahrten. Das letzte Stück von Chicoana nach Salta führt durch die Ebene langsam bergab. Die niedrigen Berge sind bewaldet, die grünen Täler subtropisch. Hochgeschlossene Häuser aus roten Lehmziegeln säumen den Weg. Hier  wird Tabak getrocknet und weiterverarbeitet. Viele Menschen leben in diesem Gebiet vom Tabakanbau.

Das Motorradfahren zu viert macht Freude und lediglich die letzten 10 Kilometer vor Salta beginnt Ingos F800 erneut ihr unberechenbares Spiel von gestern: Stopp – Neustart, Stopp – Neustart, und das im dichten Stadtverkehr einer 500.000 Einwohner Stadt. Die Provinz Salta grenzt im Westen an Chile, im Norden an Bolivien und Paraguay. Hier leben noch einige zehntausende Nachfahren der indianischen Ureinwohner, allerdings am unteren Ende der sozialen Stufenleiter. Die Provinzhauptstadt trägt stolz ihren Beinamen „La Linda“ – „Die Schöne“. Eigentlich müsste sie „La Ayudante“ – „Die Helferin“ heissen, denn dank des Organisationstalents von Matias wird noch am selben Abend die F800 in einer Fachwerkstatt „verarztet“. Mit einer neuen „Bomba de Nafta“ und einem gereinigten Benzinfilter  schnurrt sie anschliessend wie neu. Nun hoffen wir, dass  sämtliche BMW-Kinderkrankheiten  der Vergangenheit angehören.

 

Wetter:

20 Grad Sonne

 

 

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