17. März 2013 Argentinien, Villa General Belgrano – Sauerkraut

Sauerkraut ist durch Milchsäuregärung konservierter Weisskohl oder Spitzkohl und wird meist gekocht als Beilage gegessen. Es gilt international als eines der bekanntesten deutschen Nationalgerichte.

Seit 2 Tagen tragen wir wieder Socken und feste Schuhe. Es hat einen enormen Temperatursturz gegeben von 33 auf 13 Grad. Ich schlottere vor mich hin, als ich am Freitagabend müde und ausgelaugt von der Klinik und dem anschliessenden Spanischunterricht nach Hause komme. Ich sehne mich nach einem deftigen Linseneintopf, mit Speck und Kartoffeln, um mich innerlich wieder aufzuwärmen. Ingo geht es ähnlich. Zu lange hatten wir Temperaturen jenseits der 30 Grad Grenze und unsere Körper sind vollends auf Sommer programmiert. „Ich wünsche mir zum Wochenende Schweinebraten mit Sauerkraut!“  meint er mit einem verträumten Blick aus dem Fenster. Der Himmel hängt noch immer tief und ist voller Wolken, die von Schwarz im Westen bis hin zu einem blassen Schieferblau im dämmrigen Osten reichen. Was für eine Umstellung!

Wir hatten für das Wochenende eigentlich einen Ausflug nach Villa General Belgrano geplant, einem Bergdorf ca. 90 km von Córdoba entfernt. Die Kleinstadt ist berühmt in Argentinien: Hier findet jedes Jahr im Oktober das grösste Bierfest des Landes statt. Kein Wunder, denn Villa General Belgrano ist fest in der Hand deutscher Einwanderer und deren Nachfahren. Und so kommen viele Argentinier hierher, um einmal genau zu sehen, wie sich „deutsche Gemütlichkeit“ mit Wiener Schnitzel, Würstchen mit Kraut, Kirschkuchen und viel, viel Bier darstellt.

Wir entscheiden uns am Samstagmorgen trotz des fehlenden Sonnenscheins für den Besuch in Villa General Belgrano, nicht zuletzt wegen der Gelüste nach deftiger Hausmannskost. Die Berghügel in den mit Nebel gefüllten Tälern steigen vor uns auf wie eine endlose Reihe dahintreibender Luftspiegelungen. Nach 90 Minuten Motorradfahrt durch tiefhängende Regenwolken erreichen wir den Ort.

Er wirkt auf uns wie ein österreichisches Bergdörfchen, gesäumt von zahlreichen Restaurants mit rustikaler Einrichtung sowie Souvenirläden mit deutscher, österreichischer oder schweizer Flagge über dem Eingang. 

Es wird allerlei Kitsch angeboten, Bierseidel mit dem Wappen von Köln, München oder Berlin, Alpenmilchschokolade und Schwarzwaldschinken. Wir passieren Hotels mit den Namen „Blumig“ und „Edelweiss“ und bereits heute wird mit grosser Holztafel um Besucher für das Oktoberfest 2013 geworben. Gegründet wurde Villa General Belgrano von den beiden Deutschen Georg Kaphuhn und Paul Heintze, die 1932 ein ausgedehntes Gebiet kauften, es parzellierten und später in den deutschsprachigen Ländern anboten. Später kamen auch italienische und spanische Familien, die Mehrheit blieben jedoch Deutschsprachige.

Auf uns wirkt das Restaurant „Zeppelin“ recht einladend und somit parken wir das Motorrad vor der Tür und treten ein in die beheizte Stube. Ein Blick in die Speisekarte lässt uns bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen. Zur Auswahl stehen verschiedene schwäbische Gerichte, wie Spätzle, Teigtaschen und hausgemachte Nudeln. Des Weiteren finden wir Goulasch, Schnitzel und Fischgerichte doch wir sind uns beide schnell einig. Wir entscheiden uns für eine Platte für 2 Personen mit Kassler Braten, Frankfurter Würstchen, Rotkohl, Sauerkraut und Apfelmus sowie Ananasscheiben. Was für eine Mischung!

Was soll ich sagen? Das Essen schmeckt nicht schlecht, doch ist es weit entfernt von bekannter deutscher Küche. Nein, so ganz stimmt das nicht! Das Kassler ist zart und wohlschmeckend, wirklich durchaus gelungen. Doch das Sauerkraut  ist total weich und „pampig“ man hätte es problemlos ohne Zähne essen können. Wie viele Stunden mag das vor sich hingeköchelt haben? Dafür ist der Rotkohl viel zu hart und irgendwie wirkt er geschmacklich fehlgeleitet. Er ist bitter und mir fehlt die bekannte Süsse im Kraut. Ich brauche eine ganze Weile, um herauszuschmecken, was schief gelaufen ist. Aber ich vermute, der deutschstämmige Koch hat viel zu viele Wacholderbeeren mit hineingemischt und dafür auf die geraspelten Äpfel verzichtet. Nun ja, zumindest frieren wir nicht mehr!

Den Nachtisch nehmen wir nach einem kurzen Verdauungsspaziergang in einer nahegelegenen Konditorei ein. Eine reichhaltige Auswahl an süssen Kuchen ist unter den Desserts zu finden: Nusskuchen, Erdbeertorte, Schwarzwälder Kirschtorte, Zitronenkuchen, Apfelstrudel und Cheesecake! Wieso eigentlich nicht Käsekuchen? Auch hier in Argentinien wird Käsekuchen "Cheesecake“ genannt und wir fragen uns, wie es zu der englischen Namensgebung kommt. Aber Englisch hin oder her! Der Cheesecake schmeckt ausgezeichnet und auch der Apfelstrudel macht seinem Namen alle Ehre. Zusammen mit Kaffee und Tee, lecker! Ein gelungener Abschluss. Mit dicken, vollen Bäuchen und warmen Füssen treten wir die Heimreise an, voller Vorfreude auf die bevorstehende Siesta. Oder wäre nach einem deutschen Essen in einem deutschstämmigen Aussiedlerort die Bezeichnung „Nachmittagsschlaf“ angebrachter?

 

Wetter:

Leichter Regen bei

13 Grad

 

 

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