18.02.2013 Uruguay und Brasilien, Uruguyana – Zeitumstellung

Die Sommerzeit ist die in den Sommermonaten meist um eine Stunde vorgestellte Uhrzeit einer Zeitzone. Die offizielle Bezeichnung für die umgangssprachliche Winterzeit lautet Normalzeit (engl. Standard Time).  Auf der Südhalbkugel findet die Zeitumstellung entsprechend im Südsommer statt. International spricht man auch von Daylight Saving Time (DST).

Im morgendlichen Berufsverkehr von Buenos Aires erkämpfen wir uns unseren Weg hinunter zum Hafen. Wir drängeln uns in die Reihen der wartenden Autoschlangen an der Ampel der Avenida Corrientes, um bei der nächsten grünen Welle noch mit über die Kreuzung zu gelangen. Um 9.45 Uhr bringt uns die 3-stündige Fähre über den Rio de la Plata von Buenos Aires nach Colonia del Sacramento, der Hafenstadt von Uruguay.

Über „Horizons Unlimited“, der weltweiten Motorrad-Community, kontaktieren wir Arnaldo, den wir abends mit seinem Freund Juan zum Essen treffen. Es ist ein sehr lustiger und informativer Abend, werden wir doch in die Geheimnisse der uruguayischen Sprache eingeweiht. „Ta“ bedeutet so viel wie „in Ordnung“ und wird auch benutzt, wenn man ein Gespräch beenden möchte. „Bo“ würde man verwenden, um den Restaurantkellner zum Tisch zu rufen.

Man kann ihn allerdings auch heranpfeifen, meint Arnaldo. Das wäre bei uns undenkbar! Genau wie in Argentinien ist die Aussprache der Worte sehr unterschiedlich zum Castellano Spanisch. Nehmen wir als Beispiel das Wort für Huhn: Pollo. Ich habe gelernt, es als „Pojo“ auszusprechen, genau wie bei Mallorca („Majorca“). Hier allerdings spricht man vom „Poscho“ und von „Maschorca“, was in unseren Ohren doch recht nuschelig klingt. Auch das „y“ wird im Castellano als „j“ gesprochen. Der Monat Mai („Mayo“) wird also „Majo“ gesprochen. Nicht so in Uruguay. Hier ist es „Mascho“. Auch das „yo“ (ich) heisst nicht „jo“ sondern „scho“. Aber Arnaldo erzählt auch, dass im Westen von Argentinien, beispielsweise in Cordoba, die Aussprache sehr exakt ist und dem Castellano äusserst ähnlich. Dort können wir dann wieder unter normalen Zungenverhältnissen Pollo im Monat Mayo bestellen. Blöd ist nur, dass wir bereits im März in Cordoba sein werden.

In Uruguayfahren wir immer Richtung Norden, entlang des Rio Uruguay, der die Grenze zu Argentinien bildet. Das Land ist von sanften grünen Hügeln gezeichnet, die sich unter der erstickenden Decke der feuchtheissen Luft in den Horizont erstrecken. Uruguay ist anders als Argentinien. Lieblicher und verschlafener würde ich es beschreiben. Und so unglaublich sauber. Tankstellentoiletten sind blitzblank geputzt und es gibt sogar Papierhandtücher. Uns gefällt das kleine Land, das wir in Bella Union in Richtung Brasilien verlassen.

Um den Einreisestempel für Brasilien zu erhalten, müssen wir in das 80 km entfernte Uruguaiana, den erste Ort auf brasilianischer Seite. Uruguaiana ist gleichzeitig auch Grenzort zu Argentinien. Eine Brücke über den Rio Uruguay verbindet die beiden Länder miteinander. Wir haben mittlerweile 8 Grenzübergänge absolviert und ich muss sagen, irgendwie sind alle Grenzen ähnlich. Ausreisestempel in den Pass bei der Migration, Einreisestempel in den Pass bei der nächsten Migration, Mopedpapiere ausfüllen für den Import und bestätigen, dass man keine frischen Früchte im Gepäck hat. Aber nicht nur die Prozedur wiederholt sich, sondern auch die Charaktere der Grenzbeamten. Die meisten waren bisher unglaublich freundlich und hilfsbereit.  Allerdings gibt es an jeder Grenze eine Muffnase. Und diese ist meist höher befugt als andere. So auch heute! Mit halbgeöffnetem Hemd und uns ignorierend wendet der glatzköpfige Beamte seinen Oberkörper dem Ventilator entgegen, um sich den Schweissfilm auf seiner Brust trocknen zu lassen.  Gut, es ist niemandem zu verübeln, heute nicht bester Laune zu sein. Das Thermometer zeigt 35 Grad an und es ist schwül und drückend, als würde jeden Moment der Himmel explodieren. Meine Hände in den Handschuhen fühlten sich die letzten 100 km so an, als würde ich sie in Badewasser halten.

Don Muffnase allerdings hört uns einfach nicht zu. Wir erklären ihm, dass wir aus Uruguay bereits ausgereist sind, und nur noch einen Einreisestempel für Brasilien benötigen. Er hingegen will uns zum argentinischen Grenzschalter schicken, um dort den Ausreisestempel abzuholen. Er winkt nur ab, als ich erneut vor den Schreibtisch trete, um ihm die Situation zu erklären. „Ich geh‘ mal zu meinem Kumpel, der die Fahrzeuge durchwinkt!“, meint Ingo die Situation unterbrechend. Als Motorradfahrer findet man häufig Seinesgleichen und Ingo hatte bereits bei unserer Ankunft einen kurzen Smalltalk mit dem Burschen bei den Fahrzeugschlangen. Und tatsächlich, ein äusserst gutgelaunter junger Grenzbeamte kommt kurz darauf im Laufschritt ins Büro und erklärt seinem Kollegen umfangreich gestikulierend die Situation. Sekunden später haben wir die begehrten Einreisestempel für Brasilien in den Reisepässen.

Nicht weniger lautstark geht es im nächsten Bürogebäude weiter, als wir die Einreise der Fahrzeuge nach Brasilien vornehmen lassen. Eine kaffeebraune Brasilianerin mit Rastalocken lächelt uns aufmunternd an, als wir unser Anliegen vortragen. Wir können uns kaum verständlich machen, was allerdings nicht an der Sprache liegt, sondern an dem auf Maximallautstärke eingestellten Fernseher, der den Karneval in Rio überträgt. „Kein Problem!“, meint sie mit einem prüfenden Blick auf die Uhr. Sie setzt sich an den Schreibtisch, um am Computer Ihr geöffnetes „Facebook-Account“ zu schliessen. Ihre Füsse wippen im Takt der Samba-Musik, während sie unsere benötigten Einreisepapiere für die Fahrzeuge erstellt. In Kürze sind auch diese Grenzformalitäten geschafft.

Es beginnt gerade zu dämmern, als wir pünktlich um 7 Uhr am nächsten Morgen in der Eingangshalle des Hotels stehen, um unseren „Cafe de Amanha“ zu uns zu nehmen. Der Rezeptionist schaut uns mit irritiertem Blick an, deutet auf die Wanduhr und erklärt, dass es erst in einer Stunde Frühstück gäbe. Die Zeiger des Ziffernblattes zeigen 6 Uhr an und ungläubig kontrollieren wir rasch die Weltzeit im Internet. Tatsächlich hat es heute Nacht eine Zeitumstellung gegeben, die wir verpasst haben. Also marschieren wir zurück ins Zimmer. Da ich nicht still sitzen kann, nutze ich die Zeit, um noch eben die T-Shirts vom Vortag durchzuwaschen. Ich kippe grosszügig Shampoo ins Waschbecken, lasse heisses Wasser hinzu laufen und knete die Teile kräftig durch, als mir ein intensiver Geruch von warmer Schokolade in die Nase steigt. Hmmmm, lecker, wo kommt das denn her? Etwa bereits von den Frühstücksvorbereitungen? Ich drücke und schrubbe weiter, doch der Geruch hängt förmlich in der feuchten Badezimmerluft. Die geöffnete Shampooflasche steht vor mir und mit Entsetzen lese ich auf dem Etikett, dass ich in geistiger Umnachtung am gestrigen Tag Haarwaschmittel mit Schokoladengeruch gekauft habe.

Die Wäsche ist mittlerweile sauber, doch richtig frisch riecht sie nicht. Eher wie ein warmes Schokoladenfondue - sinnlich und verführerisch, ein Genuss. Wir werden in unseren Schokoladen-T-Shirts eine solche Appetitlichkeit ausstrahlen, dass selbst ein Stockfisch wie der gestrige Grenzbeamte in unsere Nähe Feuer fangen und dahin schmelzen würde.

Ohne mein Motorrad neben mir schlafe ich nicht.

 

Wetter:

Sonne 35 Grad

 

 

           

 

 

Weitere Erlebnisse