6. Januar 2013 Argentinien, Perito Moreno Gletscher – Gross und mächtig, schicksalsträchtig

Gletscher sind Eisströme, die sich oberhalb der Schneegrenze bilden. Aus Schnee entwickelt sich das gepresste Gletschereis, das durch den andauernden Prozess von Frieren und Tauen beweglich wird und langsam (mit einer Geschwindigkeit von höchstens 1-2 Zentimetern pro Stunde) auf einer Wasserschicht ins Tal fliesst.

Eine riesige Eismasse breitet sich vor uns aus. Einen der Höhepunkte Patagoniens bildet sicherlich der Gletscher Perito Moreno. Zwischen Argentinien und Chile gelegen entspricht er mit seinen 22.000 qkm etwa der Grösse des Bundeslandes Hessen. Die Eiswand der Gletscherzunge ragt  60 Meter hoch aus dem Lago Argentino. Er ist eine Besonderheit, denn er ist einer der wenigen wachsenden Gletscher weltweit.

Mit perfekten Aussichtspunkten ist dieses 14 Kilometer lange Naturphänomen den Touristen zugänglich gemacht. Wir sind spät dran am Nachmittag, als uns bereits Kolonnen von Autos entgegenkommen. Bei unserer Ankunft ist der Parkplatz fast leer und auf den Terrassen der Viewingpoints finden sich nur noch eine Handvoll Leute. An der 4 Kilometer breiten Gletscherzunge taut das Eis und es bilden sich Risse. Das Krachen im Eis tönt wie Gewehrschüsse durch die Bergwelt.

Ab und an stürzt ein mächtiger Eisquader inden See. Wenn die Brocken mit mächtigem Getöse herab stürzen, tauchen sie erst Sekunden später wieder an die Wasseroberfläche des eiskalten Sees. In magischem Blau zaubert die Sonne Muster in die Gletscherspalten.

Ingo ist wie verzaubert und dreht seinen Kopf zu mir: Schau, jetzt ist das Eis unter dem hervorstehenden Zacken weggebrochen. Als nächstes kommt der riesige Eisvorsprung selber runter! Er ist gewillt, hier den Abend zu verbringen und hat vorausschauend die Notwendigkeiten für ein Picknick eingepackt: Erdnüsse, Oliven, Kekse, Salami und Baguette. Während des Wartens ist er in tiefes und entschlossenes Schweigen gesunken. Er starrt unbeirrt auf „seinen“ Zacken im Eis, die Kamera hält er in Stellung für den kommenden Einsatz. Es brechen zwar noch einige Stücke ins Wasser, doch SEIN Brocken ist nicht dabei.

Gegen 20 Uhr drängle ich zur Rückfahrt. Nur widerwillig beendet Ingo seine Fotoaufnahmen und wir machen uns dann doch auf den Weg. Lediglich 24 Stunden länger hätten wir ausharren müssen, denn am nächsten Tag erzählt uns Markus, ein Motorradfahrer aus dem schweizer Emmental, dass er den Brocken hat herunterknallen sehen. Das muss ein gigantisches Schauspiel gewesen sein!

Wir sitzen am folgenden Abend mit unseren Zeltnachbarn Javier und Romina aus Buenos Aires zusammen. Die beiden sind Philosophielehrer und für mich ist es eine tolle Unterrichtsstunde für Spanisch. Die beiden sehen sich ungläubig an, als ich ihnen erzähle, dass ich heilfroh bin, dass „Ingos“ Eisbrocken erst einen Tag später abgebrochen ist. „Naja“, kläre ich die Lage auf, „wäre der Eisvorsprung ein paar Minuten nach unserem Verlassen des Picknickplatzes herunter gebrochen, dann könnte ich jetzt schon mal die notwendigen Papiere für unsere Scheidung zusammen suchen!“

 

Wetter:

Sonne mit einigen Schauern bei 13 Grad

 

 

 

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